Blätter bearbeiten

Muss ein Klarinettist Blätter bearbeiten können?

Liebe Saxophonisten: Alles, was hier steht, gilt natürlich auch für Saxophonblätter!

Vor 1950 hätte man wohl schon diese Frage als Lästerung verurteilt. Grundsätzlich galt: Ein deutscher Klarinettist baut sich seine Blätter selbst. Dafür waren die Deutschen in der Tat bekannt, Jack Brymer schrieb das noch in seinem Buch.

Heute ist allerdings die Qualität der fertigen Blätter im Musikgeschäft so gut und vor allem so einheitlich (und dabei nicht teuer), dass ich einfach in den Laden gehe und eine Zehnerpackung kaufe. Die Blätter passen genau auf das Mundstück und im Schnitt sind sieben bis acht davon sehr gut und die anderen immer noch brauchbar. Die Blätter besserer Firmen kommen in einer Plastikführung und sind eingeschweißt, das heißt, sie trocknen nicht aus und können direkt verwendet werden.

Wer allerdings Ehrgeiz entwickelt und seine Blätter selber machen will, sollte nicht die Rohrabschnitte oder grob gespaltene Abschnitte kaufen, sondern mindestens vorfassonierte Rohblätter: Das sind Blätter, die fertig gehobelt und geschnitten sind und schon einen groben Ausstich haben. Sie kommen im 100-Stück-Karton. Wer routiniert ist und sich die nötigen Werkzeuge anschafft (kostet natürlich auch etwas), kann mit etwa 10 - 15 Minuten pro Blatt aus diesem Karton 70 - 80 gute Blätter rausholen. Wenn man dadurch langfristig vielleicht 1 Euro pro Blatt spart, ist das kein guter Stundenlohn und die Investition in die Werkzeuge lohnt sich erst bei einem erheblichen Verbrauch.

Für langes Arbeiten an Blättern haben die meisten Spieler (und auch ich) einfach nicht die Zeit und die Geduld. Allerdings bin ich auch froh, wenn ich ein Blatt ohne viel Stress ein bisschen schwerer oder leichter machen kann, das ist keine Geheimwissenschaft!




Oberster Grundsatz:
Immer nur kleine Schritte!

Für alles, was in diesem Kapitel beschrieben ist, gilt: Grundsätzlich immer vorsichtig arbeiten! Lieber ein paar mal mehr probieren, als zu radikal schleifen, denn rückgängig lässt sich nichts machen! In diesem Zusammenhang lohnt sich vielleicht eine Blattschraube, weil man damit ein Blatt schneller auf dem Mundstück befestigt als beim Aufbinden. Mit etwas Erfahrung weiß man schon, ob und wo man schleifen muss, am Anfang geht vielleicht einiges daneben - es empfiehlt sich, das Ausprobieren mit älteren Blättern anzufangen, und nie mit dem besten Blatt, das man gerade hat - schon gar nicht kurz vor dem Konzert ...

Manchmal stellt man aber fest, dass sich aus einem Blatt trotz Mühe einfach nichts machen lässt oder man hat es totgeschliffen. Dann kann man es guten Gewissens wegwerfen - man wird auch später kaum mehr was herausholen. Es reicht, wenn man ein oder zwei alte, unbrauchbarer Blätter aufbewahrt, um zum Beispiel Mundstückbahnen zu schützen. Sonst verliert man schnell die Übersicht über brauchbare, benutzte und noch nicht getestete Blätter. Dabei hilft es natürlich, die Blätter zu markieren, so dass man sie wiedererkennt - dafür eignen sich übrigens gut CD/DVD-Marker-Filzstifte.

Werkzeug für Blätterbearbeitung

Die Regionen des Blattes

Regionen des Blattes
Blatt: Regionen

Den gesamten abgehobelten Bereich nennt man Ausstich.
Die Farben zeigen in etwa Bereiche gleicher Stärke (wie bei Höhenlinien).

Die Blattspitze (weiß) ist die dünnste und sensibelste Region, sie ist für hohe Schwingungen und die Ansprache des Blattes verantwortlich.
Den schwarz umrandeten Bereich nennt man Blattherz.
Im Blattherz wird generell nicht geschliffen,
außer wenn man den gesamten Blattaufbau verändern will.

Die Seiten oder Flanken neben dem Herz sind wichtig für die Balance.
Den Bereich unterhalb des Herzens nennt man Schulter,
hier ist das Blatt sehr dick und schwingt praktisch nicht.
Den unbearbeiteten Bereich nennt man Schaft oder Rücken.
Die flache Unterseite heißt Sohle, die Sägefläche am unteren Ende nennt man Sohle-Schnitt.

Unterseite glätten

Erste Maßnahme, vor allem bei neuen Blättern: Prüfen, ob die Unterseite, die Sohle, völlig glatt ist. Eine unebene Unterseite ist in vielen Fällen der Grund für Probleme. Außerdem kann man da nicht viel falsch machen, weil die Unterseite einfach nur völlig eben sein muss; während die Oberseite eine komplizierte Form hat. Um die Unterseite des Blattes zu glätten, verwendet man einen absolut glatten Schleifstein, wie man ihn in Eisenwarenläden, manchmal auch in Baumärkten, bekommt. Natürlich geht auch ein sehr flach auf eine Tischplatte gelegtes feines Schleifpapier (nass). Es ist aber gar nicht so einfach, ein Blatt Schleifpapier auf einem Tisch völlig flach zu befestigen. Mit einem hölzernen Schleifblock und drumgewickelten Schleifpapier braucht man das überhaupt nicht erst zu versuchen, damit macht man die Unterseite eher rund.

Blätter werden grundsätzlich feucht bearbeitet. Bei trockenen Blättern sind die Spitzen spröde und die Gefahr, dass sie reißen, ist größer als im feuchten Zustand. Auch Schleifstein bzw. Schleifpapier kann man nass benutzen - beim Kaufen auf "Nass-Schleifpapier" achten, das steht auf der Rückseite, oder es gibt eine entsprechende Symbolik. Man legt das Blatt mit der glatten Seite nach unten auf den Stein oder das superfeine Schleifpapier, fasst mit Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger von oben darauf (auf dem Blattrücken, und nicht zu weit vorne) und schiebt es (zwei oder drei Mal) ohne viel Druck nach hinten weg. Das heißt: Es bewegt sich mit dem Sohle-Schnitt voran und nicht in Richtung Spitze. Nie ein Blatt vorwärts, also mit der Spitze voran, unter Druck über Schleifpapier oder Stein schieben - das könnte die empfindliche Spitze zerstören!

Das Ganze ist überhaupt nicht so einfach, wie es aussieht... man kriegt das Blatt nämlich nicht so gut zu fassen, und man darf nicht auf einer Seite stärker drücken als auf der anderen, sonst wird die Sohle schief.

Blatt insgesamt leichter machen:

Bild: mit dem Schachtelhalm das Blatt bearbeiten, Blatt liegt auf Glasblock
Mit Schachtelhalm...

Einfachste Methode - wenn das Blatt nur etwas leichter sein soll: Das Blatt umgekehrt (Ausstich nach unten, Sohle nach oben) in spitzem Winkel unter leichtem Druck ein oder zweimal über den Schleifstein ziehen - oder über ein feines, flach liegendes feines Schleifpapier. Dabei darauf achten, dass nicht eine der Schultern (Seiten) stärker auf den Schleifstein drückt - sonst würde diese Seite leichter als die andere.

Am besten prüft man das Ergebnis, indem man das Instrument mit dem Blatt im Mund rechts und links herum dreht, dabei wird die rechte oder linke Seite "abgedrückt" und spricht nicht an, so dass man einen Vergleich hat.

Einen größeren Schritt leichter machen: mit feinen Schleifpapier oder Schachtelhalm auf der Oberseite an der Spitze im vorderen Randbereich etwas dünner schleifen (aber auch sehr vorsichtig!) - so wie auf dem Bild zu sehen. Dabei mit dem Schachtelhalm immer nur von hinten nach vorn, also zur Spitze hin schleifen, damit die Fasern nicht auf­gerissen werden. Dazu kann man die Flanken vorsichtig etwas abschleifen; das ist im Bild oben der grüne Bereich (aber immer außerhalb des Blattherzens).

Das wichtigste Wort hierbei ist vorsichtig: Ein Strich zu viel und das Blatt ist zu leicht!

Nur die tiefe Lage leichter machen:

Wie oben beschrieben, nur weiter weg von der Spitze, im blauen und gelben Bereich Holz wegnehmen. Hier ist das Blatt wesentlich stärker, und entsprechend mehr kann weggeschliffen werden, bis sich eine Wirkung zeigt.

Blatt schwerer machen:

Bild: Blattschneider
Blattschneider

Das Blatt lässt sich zwar leicht spielen, aber es jault etwas, und es ist schwierig, die Tonhöhe zu halten. Forte schnarrt, bei Fortissimo drückt man gefühlsmäßig das Blatt gegen das Mundstück "zu". Eigentlich bedeutet "zu leicht" nur, dass das Blatt zu stark schwingt; das kann zum einen daran liegen, dass es im vorderen Teil oder auch insgesamt zu dünn ist; andererseits kann es auch daran liegen, dass der Spalt zwischen Blatt und Mundstück zu eng ist.

Entsprechend kann man das Blatt etwas (nie mehr als etwa einen zehntel Millimeter) mit dem Blattschneider abschneiden und dann den hinteren Teil entsprechend nacharbeiten. Das bedeutet aber, dass man die komplette Form (jetzt auch das Herz) nacharbeiten muss. Achtung beim Abschneiden mit dem Blattschneider: das Blatt nach dem Schneiden immer gleich aus dem Schneider herausnehmen und erst dann den Schneidemechanismus zurückschnappen lassen, sonst kann das Blatt leicht einreißen!

Alternativ kann man das Blatt auf den Schleifstein legen und dann die Unterseite abschleifen, wobei man Druck auf das hintere Ende des Blattes - den Sohle-Schnitt - ausübt. Dadurch kommt das Blatt beim Befestigen am Mundstück mit dem Vorderteil höher; der Spalt wird größer und das Blatt erscheint dadurch schwerer. Das empfiehlt sich vor allem bei alten Blättern. Gegenüber dem Abschneiden hat es den Vorteil, dass man den Ausstich nicht komplett nacharbeiten muss.

Probleme mit Bindungen:

Wenn Bindungen nicht ohne weiteres gehen, kann man an den Flanken über die gesamte Länge des Ausstichs gleichmäßig etwas abschaben.

Quietschen:

Blätter quietschen meist dann, wenn sie in der Spitze zu dünn und hinten um das Herz zu dick sind. Das führt dazu, dass sie nicht mehr stark genug sind, um völlig zurückzuschwingen. Drückt man ein Blatt vorsichtig in einem flachen Winkel z.B. auf eine Glasplatte, biegt es sich. Ein Blatt, dass noch genügend elastisch ist, biegt sich dann schnell völlig zurück. Einem Blatt, dem die Elastizität fehlt, weil es zu alt oder zu dünn ist, bleibt ein bisschen in die Richtung gebogen. Da hilft dann nur noch Abschneiden und das gesamte Blatt so nachzuarbeiten, dass die ursprüngliche Form wieder erreicht wird - oder man wirft das alte Blatt dann weg, lang hilft die Maßnahme ohnehin nicht mehr.

Ton zu "hell":

Erst einmal jemand anderen befragen - der subjektive Höreindruck des Spieles ist immer ganz anders als das, was bei allen anderen ankommt (siehe hierzu Kapitel Klang - subjektives Klangerlebnis). Darüber hinaus haben wir in unserer Sprache keine einheitlichen Begriffe für Klangspektren. Wenn jemand über einen Klang "hell" und "dunkel" sagt, meint er wahrscheinlich: Obertonreich, vor allem im oberen Spektrum (=hell) oder obertonarm (=dunkel). Wenn man den Ton wirklich gern "dunkler" hat, gilt folgendes:

Obertöne entstehen durch Teilschwingungen, das sind vielfache der Grundschwingung (doppelte, drei- und vierfache - wie kleinere Wellen innerhalb der großen). Diese Obertöne sind immer da, bei allen Instrumenten und jeder Art von Blatt, aber unterschiedlich stark. Je weniger starr das Blatt ist, desto eher wird es bei vielen Obertönen mitschwingen. Ein eher steifes Blatt bleibt stärker bei der Grundschwingung. Wenn man bei einem Blatt die Spitze länger und flacher macht, wird sie beweglicher; damit ermöglicht sie mehr Obertöne, der Ton klingt heller. Will man einen "dunklen" Ton, sollte man die Spitze kleiner halten. "Dunkler machen" hieße also: die Spitze zu kürzen und die komplette Bahn nachzuarbeiten (die Bahn wieder verlängern und den Rand vergleichsweise stärken).

Eine Seite ist zu leicht:

Wenn man das Instrument im Mund dreht, drückt man das Blatt damit auf einer Seite gegen das Mundstück - dann kann nur noch die andere Seite schwingen. Stellt man zwischen den Seiten deutliche Unterschiede fest, versucht man die auszugleichen. Dazu muss man nicht gleich die Bahn ändern, sondern man kann auch einfacher vorgehen: Das Blatt wird mit der zu leichten Seite auf den Schleifstein gestellt (also hochkant), und ganz vorsichtig, immer von der Spitze weg, etwas abgeschliffen. Dadurch wird das Blatt etwas schmaler (bis einen halben mm ist wegen der Reserve der Mundstückbahn noch OK), aber auf dieser Seite wird es dann praktisch dicker. Der Effekt ist natürlich unsymmetrisch - also sehr vorsichtig anwenden und dauernd probieren...