Spieltechnik

In der Musikschulklasse bekommen auch Kinder, die zum ersten Mal eine Klarinette in den Mund nehmen, nach ein paar Minuten einen Ton heraus und nach ein paar Stunden können sie vielleicht auch eine Tonleiter und ein einfaches Lied spielen. Von da ist es aber noch ein langer Weg, bis Du es so gut kannst, dass fremde Menschen freiwillig zuhören. Man schafft das vielleicht in zwei Jahren mit viel Üben, aber das ist schon ziemlich sportlich! Und auch nach vielen Jahren lernt man noch dazu - über Spieltechnik gibt es ganze Bücher.



Korrekter Ansatz

Unter Ansatz versteht der Klarinettist, wie er das Mundstück der Klarinette zwischen den Lippen hält und hineinbläst. Der französische Ausdruck "embouchure" (also "in-den-Mund-halten") trifft das übrigens viel besser.

Der Ansatz trägt wesentlich zum Klang bei. Der korrekte Ansatz kann hier nur kurz umrissen werden, am besten - und schnellsten - lernt man ihn bei einem gut ausgebildeten Klarinetten­lehrer. Wie geht es nun?

  1. Man stellt sich entspannt hin. Wenn man es später richtig kann, darf man sich natürlich auch hinsetzen, aber dann möglichst auf die vordere Stuhlkante, die nicht zu tief sein darf, damit man vernünftig atmen kann. Die Oberschenkel sollten leicht nach unten abfallen, sonst knickt der Bauch ein und das Zwerchfell kann nicht frei arbeiten.
  2. Man hält die Klarinette in einem Winkel von etwa 45° zum Körper.
  3. Man legt die Unterlippe über die Zähne des Unterkiefers (wenn man jetzt zubeißt, liegt die Unterlippe zwischen den Zähnen von Ober- und Unterkiefer) und zieht die Unterlippe straff (ähnlich wie beim Lächeln). Um zu prüfen, ob man es richtig macht, kann man mit beiden Zeigefingern jeweils auf die Unterlippe direkt außerhalb der Eckzähne drücken und etwas nach außen ziehen - das sollte jetzt nicht mehr weit gehen. Mit viel Übung ist die Unterlippe völlig straff. Anfänger sollten das nicht übertreiben, sonst gibt es Muskelkater!
  4. Man nimmt die Klarinette so weit in den Mund, dass das Blatt auf der Unterlippe liegt, und man mit der Zungenspitze von unten gegen das Blatt stoßen kann, mindestens so weit hinten, dass man dabei die vorderste Blattkante nicht berührt. Ansonsten würde die sehr dünne Blattkante leiden und nicht lang halten.
  5. Man drückt die Klarinette leicht (für Anfänger eher etwas fester) gegen die Schneidezähne des Oberkiefers und schließt die Lippen (vor allem die Oberlippe) um das Mundstück, so dass, wenn man jetzt bläst, keine Luft mehr irgendwo entweicht.
  6. Man darf fast keinen Druck von unten gegen das Blatt ausüben, damit das relativ frei schwingen kann.
  7. Man stellt sich den Ton vor, der jetzt kommen sollte (kein Scherz!)
  8. Man bläst hinein (Atmung und Blasen sowie Anstossen siehe unten)

Richtige Atmung

Wie Atmung funktioniert - stark vereinfacht

Die Lungen selbst sind zwei stark durchblutete Bläschen-Säcke, die wir nicht selbst bewegen können, sie lassen sich nur indirekt füllen. Dazu wird beim Einatmen der Brustraum, in dem sich die beiden Lungenflügel befinden, geweitet und beim Ausatmen zusammengedrückt. Der Hohlraum der Lunge wird im oberen Teil durch Brust und Schultern sowie nach unten durch das Zwerchfell begrenzt. Man unterscheidet zwei Arten der Atmung: Zum einen die Schulter- und Brustkorbatmung und zum anderen die Bauch- oder Zwerchfellatmung. Dabei kann man Schulter- und Brustkorbmuskeln direkt steuern und das Zwerchfell nur indirekt über die Bauchmuskulatur. Bei der natürlichen Atmung, die ja sogar noch funktioniert, wenn wir bewusstlos sind, sind beide Bewegungen kombiniert.

Natürliche Atmung?

Zuallererst sollte einmal deutlich gesagt werden, dass die Atemtechnik, die gutes Klarinettespielen ermöglicht, eigentlich völlig unnatürlich ist. Natürliche Atmung ist gleichmäßig und geht durch die Nase; Ein- und Ausatmung dauern etwa gleich lang. Der Vorgang läuft unwillkürlich durch den Körper selbst gesteuert. Das hilft, die richtige Sauerstoffmenge im Kreislauf zu erhalten, die Atemluft zu reinigen, zu erwärmen und die Schleimhäute feucht zu halten. Die Atemtechnik beim Klarinettespielen setzt stoßartiges Einatmen durch den Mund (durch die Nase geht es nun mal nicht schnell genug) voraus und dann (wenn man ehrlich ist) mehr oder weniger gepresstes Ausatmen mit unterschiedlichem Druck über eine laaaaaange Zeit - ein roter Kopf ist nichts Ungewöhnliches. Natürlich ist das bestimmt nicht!

Im schlimmsten Fall kann unnatürliche Atmung beim langen Aushalten von Tönen zu leichten Schwindelgefühlen führen, ähnlich wie beim Hyperventilieren. Bei geübten Klarinettisten kommt das aber kaum vor. Die gute Nachricht ist hier aber, dass der Druck beim Klarinettespielen lang nicht so hoch ist, dass man verrückt davon wird (wie das beim Oboespielen angeblich schon vorkommen soll ... ;-) Der Mensch beherrscht diese Art der Atmung auch schon relativ lang, es entspricht nämlich etwa der Art, wie wir beim heftigen Reden, Rufen und Singen atmen (beim Klarinettespielen es ist nur noch etwas heftiger).

Normalerweise denken wir nicht über die Atmung nach und benutzen beide Formen, also Brustkorb- und Zwerchfellatmung. Auch beim Klarinettenspielen sind beide Formen möglich. Wenn wir bewusst tief einatmen wollen, machen wir das meistens mit der Brustkorbatmung - dabei heben sich die Schultern. Diese Form ist in der Regel also trainiert und wirkungsvoll. Die Zwerchfellatmung hat beim Spielen aber Vorteile: Schulter und Brustkorb sind wegen des Haltens des Instruments und des Betätigens der Klappen beschäftigt, und manchmal sogar regelrecht verspannt. Das Zwerchfell ist da noch frei. Auch hoher Druck lässt sich mit dem Zwerchfell sehr einfach aufrecht erhalten. Die Zwerchfellatmung setzt aber voraus, dass sich die Bauchdecke nach außen wölben kann. Im Stehen ist das ganz einfach, beim Sitzen mit angewinkelten Beinen und eingeengtem Bauchraum geht es nicht.

Beim Sitzen gilt daher: auf keinen Fall zu niedrig und zu weit hinten sitzen. Vorne auf einer hohen Stuhlkante ist ideal. Eine wirksame Hilfe bei schlechten und zu niedrigen Stühlen in Konzertsälen kann ein orthopädischer Schaumstoffkeil sein - den legt man so auf den Stuhl, dass die Sitzfläche nach vorne hin abfällt. Und wenn man ihn auch bei Konzerten benutzen will: eine unauffällige Bezugfarbe wie Schwarz oder Grau wählen - sonst fällt der Keil stark auf.

Griffe

Die Griffe für die beiden Haupt-Register, das Chalumeau - und das Klarinetten-Register, sind über alle Klarinetten-Größen von Kontrabass bis Es gleich und werden im Unterricht vermittelt. Es gibt nur ganz wenige spezielle Triller-Griffe, die eventuell auch bei einzelnen Klarinetten-Modellen anders gehen. Oberhalb des Klarinetten-Registers, also bei doppelten Überspielen, fangen dann die individuellen Unterschiede des einzelnen Klarinettisten und seines Instrumentes an, so stark zu wirken, dass man besser alles einmal selbst ausprobiert.

So ganz anders als zum Beispiel bei der Blockflöte sind übrigens die Griffe nicht. Tatsächlich sind im oberen Register des deutschen Systems - also dem Klarinettenregister, bei gedrückter Überblasklappe - die Griffe praktisch identisch zu denen der Blockflöte. "Alle Finger drauf" ergibt sowohl bei Blockflöte als auch Klarinette ein "C" und "nur die linke Hand drauf" ergibt bei beiden ein "G". Auch das Gabel-F funktioniert. Zumindest sind das die notierten Töne, denn die Klarinette erklingt entsprechend tiefer, weil sie ja transponiert - bei B-Klarinette erklingt beim Greifen des C ein B, bei A-Klarinette ein A.

Als Orientierungshilfe gibt es Grifftabellen, die auch der erfahrene Klarinettist bei einzelnen Stellen heraus kramt, um nachzusehen, ob es nicht vielleicht doch noch einen praktischen Hilfsgriff gibt. Ich habe hier Links auf brauchbare Grifftabellen im Internet angegeben:

Grifftabelle B-Klarinette, deutsch (unter www.klarinette24.de )
Grifftabellen Boehm, Oehler und Albert etc. (www.wfg.woodwind.org/clarinet/index.html - Englischer Text)

Bei den höchsten Tönen sind die Klarinetten und individuellen Spieler schon so unterschiedlich, dass man ausprobieren und genau wissen sollte, bei welchen Tönen man eventuell offene Tonlöcher ganz oder zum Teil mit den Fingern abdecken sollte, damit ein Ton besser stimmt oder zumindest besser klingt.

Außerdem ist es von Instrument zu Instrument wichtig, herauszufinden, ob zum Beispiel ein Gabel- oder Klappengriff besser stimmt. Bei schnellen Läufen oder Trillern mag das egal sein, da kommt es auf Bequemlichkeit oder Schnelligkeit an, wenn man einen Ton lange aushalten oder ppp anstoßen muss, ist das schon wichtig.

Anstossen

Unter "Anstoßen" versteht man den Vorgang, bei dem man das Blatt zum Schwingen freigibt. Eigentlich wird gar nicht gestoßen, sondern eher losgelassen, denn man hat ja vorher die Zunge auf dem Blatt, so dass es nicht schwingen kann und lässt das Blatt dann mehr oder weniger schnell los, wobei man gleichzeitig bläst.

Anstelle das aber so zu probieren, ist es viel einfacher, sich vorzustellen, man würde "TAAA" oder "DAAA" sagen, oder besser singen - die Zungenbewegung ist dann genau richtig und auch der Luftstrom stimmt schon ziemlich gut.

Hartes oder weiches Anstossen und Legato

Bei der Klarinette gibt es anders als zum Beispiel beim Klavier viele Dimensionen des Tonerzeugens. Beim Klavier gibt es beim Anschlag immer nur eine Dimension - egal, was mein Klavierlehrer da immer behauptet hat. Diese Dimension ist die Geschwindigkeit der Taste beim Aufschlag, die sich dann direkt in die Lautstärke umsetzt. Ganz anders hat der Klarinettist deutlich mehr Möglichkeiten zur Tonformung. Ein wichtiger ist das Anstoßen. Wir haben es eben schon kennengelernt: "TAAA" und "DAAA", natürlich geht auch "HAAA", das wäre dann ein Ton ohne Anstoß, nur mit An"hauch". Und dann gibt es natürlich noch Legato - hier wird ein Ton an den vorigen gebunden, also reißt der Luftstrom und damit die Schwingung der Luftsäule im Instrument theoretisch überhaupt nicht ab. Ich schreibe theoretisch, weil zwischen zwei Tönen - ausser beim Glissando - die Schwingung natürlich doch kurz zusammenbricht, nur nimmt man das nicht deutlich wahr.

Klingendes Staccato und Staccato Secco - was ist das?

Die Art des Anstoßens hat noch nichts mit der Tonlänge zu tun - in soweit gibt es harte (Staccato) oder weiche lange und kurze Töne: "TAAA TAAA TATATATATA" oder "DAAA DAAA DADADADADA" oder "HAAA HAAA HAHAHAHAHA" - alle drei Phrasen haben die jeweils gleiche Tonlänge. Zumindest sind sie gleich lang notiert, natürlich ist "HA" länger als "TAT" - einerseits braucht das Anhauchen mehr Zeit und beginnt schon kurz vor dem Ton, andererseits schwingt der Ton etwas nach. Die Unterschiede sind aber gering und die Töne werden als gleich lang wahrgenommen.

Wenn klingendes Staccato gefordert wird, bedeutet das, man spielt: "TA TA TA TA". Secco (sprich "secko"), also "trockenes" Staccato spielt man "TAT TAT TAT TAT". Beim ersteren hat das Blatt und die Luftsäule eine Chance, auszuschwingen, beim letzteren wird der Ton mit der Zunge quasi abgewürgt. Wenn man mit der Zunge schnell ist, klingt das oft nicht mehr schön. Die meisten anderen Instrumente können kein so kurzes Staccato wie die Klarinette spielen, weil die anderen Instrumente (zum Beispiel Streichinstrumente) zum Anschwingen längere Zeit braucht. Deshalb sollte man sich als Klarinettist in einem Ensemble an das Staccato der anderen Musiker anpassen, eventuell nimmt man die Artikulationszeichen und -beschreibungen nicht ganz so wörtlich.

Doppelzunge - was ist das und geht das auf der Klarinette?

Oft wird vom Musiker schnelles Staccato verlangt. Die Blechbläser (und auch Oboisten) verwenden dann die sogenannte Doppelzunge. Der Begriff ist etwas irreführend, tatsächlich müsste es besser "Halbzunge" heißen: Sie spielen nämlich nicht "TAT-TAT-TAT-TAT-TAT" oder - was etwas leichter ist: "TATATATATATA", sondern "TAKATAKATAKATAKA". Das bedeutet, anstatt eines "richtigen" Anstoßens mit der Zungenspitze am Mundstück unterbrechen Sie den Luftstrom mit der Mittelzunge am Gaumen. Beim Blechblasinstrument ist der Unterschied kaum zu hören, und wenn man das bei hoher Geschwindigkeit bei der Klarinette macht, geht es auch. Doppelzunge eignet sich aber nur bei nachklingendem Staccato bzw. hohem Tempo (zum Beispiel bei Julius Fuciks Florentinermarsch) - ansonsten sollte man versuchen, das klassische Anstoßen zu üben.

Akzente (>) - sind die einfach nur lauter?

Beim Klavier (siehe oben) wäre das so - der Pianist kann ja einen Ton, den er einmal angeschlagen hat, nicht mehr verändern, nur noch stoppen - der Klavierton wird immer in der gleichen Geschwindigkeit leiser. Bei einer Klarinette gilt das nicht. Ein Klarinettist kann einen Akzent spielen, wie er gemeint ist: Der Ton bekommt am Anfang etwas - oder deutlich - mehr Druck (mit der Luft). Den Druck nimmt man sofort wieder zurück und spielt in der Originallautstärke weiter. Spielt man gemeinsam mit Streichern, macht man den Effekt nicht so stark wie zusammen mit einem Bläsersatz.

Analog geht man beim umgekehrten Zeichen (<) vor: Nach Anstoßen in der Normallautstärke "dreht man kurz auf", (auch "Nachdrücken" genannt) - und spielt danach wieder in der ursprünglichen Lautstärke weiter. Klar, ein Klavier kann so etwas gar nicht. Spielt man also mit einem Klavier zusammen, muss man überlegen, ob es wichtiger ist, dass beide Instrumente die Artikulation gleich machen (wenn beide eher gleichwertig sind) oder ob es wichtiger ist, dass die Klarinettenstimme die Melodie bringt, wie gedacht (wenn das Klavier eine reine Begleitung ist).

Stimmen - Anpassen der Tonhöhe

Sobald mehrere Instrumente zusammenspielen, muss man sich auf eine gemeinsame Tonhöhe einigen - sonst klingt es grausam. Vor allem geringe Stimmungsunterschiede werden als rau, kratzig oder auch schräg, manchmal sogar als schmerzhaft wahrgenommen. Standardisiert ist eigentlich ein "Kammerton" A mit 440 Hertz. Das gilt für alle Instrumente unseres Kulturkreises, also alles, was man im Orchester so findet mit Ausnahme bestimmter Schlagwerke. Damit könnte das Problem bereits gelöst sein.

Leider stimmt man aber in der Regel heute nicht bei 440, sondern eher bei 442 Hertz bis 444 Hertz (und es gibt einen Trend zur höheren Stimmung). Für die Klarinette, ein B-Instrument, das ja transponiert, heißt das: Unser gegriffenes H sollte als A mit 440 Hertz erklingen beziehungsweise mit 442 oder 444 Hertz, je nach Orchesterstimmung.

Man "stimmt" sein Instrument, indem man einen Ton an einem Referenzton ausrichtet, zum Beispiel mit einem Stimmgerät. Danach prüft man alle anderen Töne. Das Gerät kann für jeden Ton anzeigen, ob man zu hoch oder zu tief ist. Oder man macht es im Vergleich mit einem Referenz-Instrument - das kann auch eine Stimmgabel sein. Im Orchester gibt ein Referenzinstrument einen Ton vor, üblicherweise ist das die Oboe. Der Ton ist meistens das a (mit ungefähr 440 Hz), in Blasorchestern auch oft ein b. Alle anderen Instrumente nehmen nacheinander kurz diesen Ton auf, hören, ob und wie sie sich unterscheiden und dann verlänger oder verkürzen sie ihre Saiten, Stimmzüge, Birnen oder den S-Bogen (bei tiefen Klarinetten), bis ihr a dem der Oboe entspricht. Das dauert bei Profis auf der Bühne für mehr als 100 Musiker selten mehr als eine Minute. Natürlich wissen die die Höhe und haben ihre Instrumente vorher bereits präzise ausgestimmt. Für Amateure ist das genaue Hören der Tondifferenzen eine der Herausforderungen des Zusammenspielens. Wie bei allem andern gibt es Menschen, die es besser können und andere, denen das schwerer fällt. Es gibt aber erstaunlicherweise nur sehr wenige (weniger als 2 von Hundert), die es überhaupt nicht können. Die meisten können es also lernen.

Wenn jetzt das a bei allen gleich hoch ist, stimmt der Ton, stimmt das Instrument, stimmt das Orchester und alles ist gut. Oder?

Leider ist das nicht ganz so einfach, gerade für Klarinettisten nicht.

Generell ist jede Klarinette für eine bestimmte Tonhöhe gebaut und durchgestimmt. Aufgrund des Standards sollte das Instrument eigentlich bei einem klingenden a mit 440 Hertz stimmen. Weil die Orchester heute höher stimmen, bauen auch die Hersteller ihre Instrumente entsprechen, das sagt der Hersteller in den Details zum Instrument. Das bedeutet, dass das Instrument bei genau dieser Stimmung in sich vollständig stimmen sollte: Alle Töne sind im genau richtigen Abstand zueinander, und jedes Tonloch ist an der richtigen Stelle. Leider ist das schon theoretisch bei der Klarinette kaum erreichbar - und praktisch hat jedes Instrument da Schwächen. Natürlich hängt es zum einen auch von der Qualität des Instruments ab, zum anderen aber auch noch von einigen anderen Voraussetzungen:

Praktisch müssen wir unser Instrument fast immer an eine geringfügig höhere oder tiefere Stimmung des Ensembles anpassen. Grundsätzlich ist das erst mal einfach: Um das Instrument tiefer zu bekommen, ziehen wir die Birne etwas heraus. Die Bohrung wird länger, die Schwingungswelle wird länger, der Ton wird tiefer. Um das Instrument höher zu bekommen, schieben wir die Birne wieder etwas hinein. Wenn das nicht mehr geht (alles ganz fest zusammen), nehmen wir eine kürzere Birne. Oft haben Instrumente - vor allem die besseren - zu diesem Zweck eine zweite, etwas kürzere Birne. Weil deutsche und Boehm-Instrumente weitgehend genormt sind, passen kürzere Birnen normalerweise ohne große Bearbeitung durch den Instrumentenbauer, es muss also nicht unbedingt eine vom gleichen Hersteller oder eine Spezialanfertigung sein.

Dabei passiert aber auch folgendes: Nehmen wir an, wir haben unser Instrument in sich perfekt mit einem Stimmgerät gestimmt. Jetzt sitzen wir in einem Orchester und alle richten sich nach der ersten Oboe, die stimmt ein "a" an. Weil eine B-Klarinette transponiert, muss man dafür bei unserer B-Klarinette h greifen. Nehmen wir weiter an, wir machen das mit dem "langen" h (alle Klappen zu, Duodezimklappe offen). Aber unsere Klarinette ist noch deutlich zu hoch. Wir ziehen also die Birne so weit heraus, bis der Ton stimmt. Wir haben jetzt die Birne um 6 mm herausgezogen - das wäre sehr viel. Es macht bei einer Gesamtlänge des Instruments von etwa 66 cm - und bei einer schwingenden Luftsäule, die etwas kürzer ist, von etwa 60 cm - also eine Verlängerung von etwa 1% aus. Betrachten wir jetzt den nächst tieferen Ton, also den höchsten Ton des niedrigeren Registers: b (alles offen). Der "kürzeste" Ton auf dem Instrument. Die 6 mm Verlängerung unserer Stimm-Maßnahme machen für diesen Ton nicht nur 1% aus, sondern fast 10% aus. Das bedeutet: Die Veränderung wirkt sich bei "kurzen" Tönen viel stärker aus als bei "langen".

Was heißt das nun? Das heißt, dass wir mit unserer Maßnahme die "langen" Töne halbwegs korrekt gestimmt haben, die "kurzen Töne" aber viel zu stark vertieft sind und wir damit die Gesamtstimmung des Instruments geopfert haben.

Der Effekt ist in der Praxis normalerweise nicht so krass. Es ist aber wichtig, zu verstehen, dass man - wenn man sein Instrument durch Längenveränderung "stimmt", die "in-sich-Stimmung" jetzt wieder herstellen muss. Das macht man mit verschiedenen Tricks (siehe unten).

Wenn wir als Spieler in mehreren unterschiedlich gestimmten Ensembles spielen, und dabei öfter Probleme auftauchen, können wir folgendes tun: Bewaffnet mit einem Stimmgerät und einem Blatt Papier analysieren wir unser Instrument:

  1. Normalerweise stimmt das Instrument in sich bei voll hereingeschobener Birne und im warmgespielten Zustand - also spielen wir es erst einmal mindestens eine Viertel Stunde
  2. Jetzt spielen wir eine chromatische Tonleiter und notieren für jeden Ton die Abweichungen
  3. Das wiederholen wir ein paar Tage später und insgesamt ein paar Mal. Es sollte sich ein bestimmtes Muster von Abweichungen ergeben.
  4. Dann ermitteln wir die Standardstimmung unseres/unserer Ensembles, und führen die Messung wie oben beschrieben wieder durch, aber jetzt mit einem auf A (oder B) in der Grundstimmung des Ensembles gestimmten Instruments. Wenn die Grundstimmung des Ensembles erheblich von der Standardstimmung unseres Instruments abweicht, können sich ganz andere Muster ergeben.
  5. Wiederholen, bis das Muster jeweils stabil ist.

Jetzt kennen wir die "Macken" unseres Instruments bei verschiedenen Grundstimmungen und müssten wissen, in welchem Ensemble (oder bei welcher Stimmung) wir die Fehler unseres Instruments wie ausgleichen müssen. Das müssen wir jetzt üben; wie das geht, siehe unten.

Daneben sollten wir noch zwei Probleme kennen:

  1. Die Klarinette hat den Nachteil, dass beim Überblasen in die hohe Lage die Töne nicht eine Oktave nach oben gehen, sondern eineinhalb Oktaven, wodurch die Tonhöhe auch bei den besten Klarinetten immer ein Kompromiss ist.
  2. Daneben (und das trifft jetzt alle Holzblasinstrumente) kommt der Effekt des akustischen Widerstands der offenen Tonlöcher hinzu: Die Druckwelle tritt aus dem höchsten geöffneten Tonloch aus, als sei das Instrument hier abgesägt - egal, was sich darunter befindet. Bei höheren Frequenzen wird der Widerstand der Tonlöcher größer und die Wellen treten nicht mehr vollständig hier aus, sondern gehen noch teilweise durch die Bohrung weiter. Je kleiner die Tonlöcher sind, desto größer der Effekt. Das bedeutet zum einen, dass hier die Abdeckung tieferer Tonlöcher auch stärker wirkt. Zum anderen bedeutet diese - wenn auch geringe - Verlängerung der schwingenden Luftsäule, dass die Töne hierdurch tiefer werden. Man kann aber deswegen nicht einfach die Tonlöcher versetzen, weil sie für das tiefe Register ja korrekt sind. Wir müssen dem Effekt einfach entgegenwirken.

Einen einzelnen Ton durch "Ansatz" in der Höhe verändern (Stimmung "in sich" verändern)

Was muss man tun, um einen Ton durch "Ansatz" und Abdecktechniken zu verändern?

Während wir bei der Stimmung durch Herausziehen der Birne die Luftsäule verlängern, was direkt da ansetzt, wo es wirkt - nämlich der Länge der schwingenden Luftsäule - müssen wir mit Ansatz und Abdecktechnik indirekt ansetzen. Am Ende können wir auch nur dann etwas bewirken, wenn sich akustisch die Tonsäule verlängert. Wie macht man das?

Zum einen können wir das eigentlich für die Tonhöhe verantwortliche Tonloch ein wenig abdecken, indem wir den Finger dicht darüber halten oder es halb abdecken. Das wirkt nur im Klarinettenregister und nicht im tiefen Chalumeauregister. Das Ergebnis ist meist auch klanglich nicht perfekt, vor allem lässt es sich auch nicht gleichzeitig schnell und präzis machen, aber wenn die Richtung stimmt, ist es oft besser als nichts. In schnellen Läufen hören die meisten Menschen kleine Abweichungen ohnehin nicht besonders deutlich - anders als bei einem lang ausgehaltenen Ton; und da haben wir dann Zeit, zu korrigieren.

Daneben können wir mit dem Ansatz (Lippenspannung und Mundhöhle) etwas ausrichten, zumindest im cent-Bereich. Dabei nutzen wir aus, dass auch die Mundhöle ein Teil der schwingenden Luftsäule sein kann - normalerweise ist sie es nicht; die Welle wird an der Spitze des Mundstücks reflektiert und läuft nicht in den Mund hinein. Im Chalumeauregister ist das auch grundsätzlich so und lässt sich nicht erreichen. Im Klarinettenregister aber, insbesondere bei den höheren, also kurzen Tönen, am einfachsten bei den allerhöchsten, kann man mit etwas Übung durch Veränderung der Mundhöhle den Ton beeinflussen. Am einfachsten stellt man sich vor, die Vokale "UUU-OOO-AAA-EEE-III" zu formen, während man spielt. Dabei verändert sich die Mundhöhle und der Effekt wird direkt hörbar.

Wie man ein Glissando spielt

Glissando (italienisch für "Gleiten") bedeutet stufenlose Tonhöhenveränderung. Einfach ist das für Streichinstrumente und Posaunen. Da der Effekt spektakulär ist, wird er im Jazz gerne eingesetzt; aber es geht auf der Klarinette nur bei hohen Tönen. Deckt man in der oberen Hälfte des Klarinettenregisters die Tonlöcher der Klarinette halb ab, wird der akustische Widerstand der Tonlöcher stärker, so dass die schwingende Luftsäule nicht schon beim ersten offenen Tonloch vollständig hinausläuft (das würde im Chalumeauregister so sein), sondern teilweise auch in der Bohrung weiterläuft und schwingt - also praktisch in verschiedenen Tonhöhen schwingen könnte, je nachdem, was jetzt der Spieler mit den Lippen macht: er kann jetzt das Blatt entsprechend dämpfen, was plötzlich einen erheblichen Einfluss auf den Ton bekommt. Mit etwas Übung kann man die Tonsäule sogar dazu bringen, nicht an der Mundstückspitze zu enden, sondern im Mundraum selbst. Dann kann man die Schwingungsfrequenz so verändern, dass der Übergang zwischen zwei Tönen völlig glatt wird und ein Glissando entsteht. Parallel muss man aber schon die Tonlöcher mit aufmachen. Das klingt komplizierter als es ist; probiert mal die Vokalformung wie oben beschrieben! Weiter unten auf der Tonleiter ist das aber nicht möglich, schon gar nicht im Chalumeauregister, weil bei niedrigen Frequenzen der akustische Widerstand weniger stark wirkt.

Eine ausführliche Erklärung hierzu findet sich im (englischsprachigen) Dokument "how to play the first bar of Rhapsody in Blue".

Deshalb spielt man eben bei der "Rhapsody in Blue" den ersten Teil des ersten Taktes auch als mehr oder weniger sauberen, in Folge immer stärker verschmierten Lauf. Dabei versucht man durch langsames Öffnen der Klappen ein klares Kippen der Schwingungsfrequenz von einem Ton zum nächsten zu verhindern, so dass ein möglichst weicher Übergang entsteht. Perfekt funktioniert das aber eben erst in der oberen Hälfte des Klarinettenregisters.

Wie man Vibrato spielt

Es gibt verschiedene Arten, Vibrato auf einem Holzblasinstrument wie der Klarinette zu erzeugen:

Hierzu gibt es gut verständliche Videoanleitungen auf YouTube, praktisch alle auf Englisch (aber man kann es ja wiederholen).