Extreme Tiefe:

Kontrabass- und Kontraaltklarinette


Die kleinere Kontraaltklarinette (links) und die etwas größere Kontrabass­klarinette (Mitte) sind die tiefsten Klarinetten, für die es regelmäßig Stimmen gibt und die noch verhältnis­mäßig häufig in Konzerten zu erleben sind. Das gilt allerdings weniger für klassische Symphonie­orchester, sondern vor allem für Blasorchester. Es existieren zwar auch noch größere Typen, aber die sind - wie die Sub-Kontra­klarinette - eher experi­mentell, und es gibt nur ganz wenige Instrumente davon.

Die Kontrabassklarinetten sind groß, die klassische Form in Holz (im Bild in der Mitte) würde etwa 2,70 Meter in der Länge messen, allerdings sind diese Instrumente nicht gerade wie eine B-Klarinette, sondern S-förmig gebogen wie eine klassische Bassklarinette oder sogar komplett gewunden (sogenannte "paperclip"-also "Büroklammer"-Form rechts auf dem Bild).

Ihr Ton entspricht in etwa in Tiefe und Klang schon dem eines Streich-Kontra­basses; sehr tief, eher rauh, in der mittleren und höheren Lage aber angenehm und deutlich eine Klarinette.

Diese ganz tiefen Instrumente sind in Deutschland noch nicht so verbreitet wie zum Beispiel in den Niederlanden oder den USA. Man findet sie nur bei großen Blasorchestern und natürlich bei Profi-Orchestern. Das liegt an der Kombination von hohem Preis und seltenem Einsatz. Kontraklarinetten sind einfach sehr teuer. Neue Kontra-Alt mit Holzkorpus bei Selmer - wie auf dem Bild - über 10.000 Euro, Kontrabass ab 20.000 Euro). Diese Instrumente sind fast nur noch als Boehminstrument verfügbar, allerdings baut zum Beispiel Eppelsheimer in München auch deutsche Modelle, Preis auf Anfrage. Nicht selten sind die Stimmen der Kontra­instrumente auch nur Füllstimmen, Kopien von Bass­klarinetten­stimme, Streichbass oder Tuba. Damit könnte man sie oft auch weglassen. Gespielt werden diese Instrumente oft als Zweitinstrument. In meinem Symphonischen Blasorchester, Höchststufe, gab es um das Jahr 2000 eine Kontrastimme so etwa in jedem fünften Stück, heute schon in jedem zweiten. Als Kontraspieler - der sonst Bassklarinette spielt - liest man deshalb den Probenplan genau, ob man diese Riesen neben der Bassklarinette überhaupt mitnehmen soll oder nicht. Noch praktischer lagert das Instrument natürlich gleich am Probenort (so wie bei mir in der Schule, wo wir proben) - üben kann man die Stimmen zu Hause auch auf einer Bassklarinette, allerdings muss man sich klar sein, dass eine einfache Kontraklarinette oft nicht den Luxus aller Klappen einer hochwertigen Bassklarinette bietet.

In den Niederlanden und den USA haben vor allem die großen Highschool bands regelmäßig nicht nur eines dieser Instrumente. Die großen wind bands haben oft über 100 Bläser. Die großen und teuren Instrumente gehören dann dem Orchester, und die Spieler müssen sich die Instrumente nicht selbst kaufen. Und es gibt immer genug Leute, die das gerne spielen würden.

Nicht selten verlangen Komponisten dieses Instrument auch aufgrund von Show-Effekten als wegen des Klangs. Schon optisch machen Kontraklarinetten mit ihrer Größe auf jeder Bühne Eindruck!

An der Verfügbarkeit in den Orchestern orientieren sich wiederum viele Komponisten, die bezahlte Kompositionsaufträge für Wettbewerbe bekommen. Entsprechend kommen die Kontraklarinetten in modernen Wettbewerbsstücken immer häufiger vor, und nicht nur als Füllstimme, sondern in einer wichtigen Rolle. Damit dauert es wohl nicht mehr lange, bis auch bei uns diese Stimmen nicht mehr vom immer vorhandenen Bari-Saxophon gespielt werden können. Trotzdem muss man als Klarinettist schon ein bisschen tief-Ton-fanatisch sein, um das Instrument zu spielen - und natürlich den Koffer dann zu schleppen. In mein Auto (immerhin ein Kombi) geht der 1,60 Meter lange Koffer nur, wenn ich die Rückbank umlege... und natürlich müssen ein Ständer und mein Standard­instrument, die klassische Bass­klarinette, mit transportiert werden. Wenn meine Frau ihr Instrument auch noch einlädt, passt da nicht mehr viel rein.

Notation der Kontraklarinetten

Die Kontrabassklarinette klingt in B, die Kontra-Alt­klarinetten in Es. Oft werden beide als Kontrabass­klarinette bezeichnet, gerade auch in den USA. Sie werden wie alle Klarinetten im Violinschlüssel notiert. Steht da also nicht explizit etwas wie "CBCL in Bb" in den Noten, sollte man sich besser durch einen Blick in die Partitur oder auf die Vorzeichen in den Noten vergewissern, welches Instrument denn tatsächlich gemeint ist: Eine Kontra­bass­klarinette hat als B-Instrument in den Noten die gleichen Vorzeichen wie die B- und Bass­klarinette, die Kontra-Altklarinette die gleichen Vorzeichen wie Alt­klarinette oder das Bariton-Saxophon.

Weil der Klang der tiefen Klarinetten im Vergleich zur Bassklarinette etwas rauher ist, hört man bei unisono-Stellen zu Tuben und Barisax vor allem noch ein Schnarren - tiefe Stimmen kann man schon aus kurzer Entfernung nicht gut auseinanderhalten. Wirklich toll klingen diese Instrumente vor allem, wenn Bassklarinetten und Kontraklarinetten in dünn besetzten Stellen (z.B. mit leisen Flötensolo oder ähnlichem) alleine spielen dürfen.

Ein Instrument für Dich?
Tief-Spezialist - selten Hauptinstrument

Auch wenn die Stimmen immer öfter gefragt sind, haben reine Kontrabass­klarinettisten auch in größeren und ehrgeizigen Blasorchestern in vielen Stücken nichts zu tun, und wenn, dann doppeln sie oft nur die wesentlich anspruchsvollere und schönere Bassklarinetten­stimme. Normalerweile spielt ein Kontraklarinettist deshalb noch eine andere Klarinette, oft die Bassklarinette. Die Anforderungen an die Technik mit langen Klappen und großen Mundstücken sind ja ähnlich, und die Spieler kommen auch mit Luft- und Ansatzproblemen zurecht. Trotzdem sind Kontraklarinetten auch für erfahrene Bassklarinettisten noch mal eine Herausforderung. Schnelle Läufe sind bei meterlangen Klappen etwas, das man aus anderen Gründen üben muss - bei Kontraklarinetten kann man schon von spürbaren Reaktions- oder Antwortzeiten bei Klappen sprechen. Die Intonation ist oft auch nicht perfekt. Mit dem Ansatz kann man schließlich zur Korrektur der Tonhöhe bei einer Kontraklarinette unterhalb des ersten Drittels des Instruments nichts mehr ausrichten: das wären die Klappen die zwischen einem und zweieinhalb Meter vom Mundstück entfernt sind. Da kannst Du Dein Mundvolumen beliebig ändern, es verändert nichts meß- und hörbares mehr an der Gesamtlänge bzw. der Tonhöhe. Etwas wichtiger als bei anderen Klarinetten ist die komplette Dichtigkeit der Klappen: Bis bei etwa 1,5 Metern Bohrungslänge an einer Klappen Feuchtigkeit ankommt, um das Leder weich zu machen, muss man schon sehr lange spielen.

Die Doppelrolle Bassklarinette und Kontraklarinette bietet sich für Orchester natürlich nur dann an, wenn die Bassklarinette mehrfach besetzt ist und wenn man dann auch auf eine Bassklarinettenstimme verzichten kann. Tatsächlich gibt es nämlich in Stücken, bei denen eine Kontraklarinette wirklich verlangt wird, regelmäßig auch zwei eigenständige Bassklarinetten­stimmen. Einer der Bassklarinettisten spielt dann das ganze Stück Kontraklarinette oder wechselt bei Bedarf im Stück das Instrument. Das machen Oboisten mit dem Englisch Horn oft genauso. Absolut notwendig sind dabei je ein vernünftiger Bassklarinetten- und Kontrabassklarinetten­ständer, schließlich kann man nicht mitten im Stück aufstehen und das Instrument in eine sichere Ecke tragen, wo man es anlehnt. Das auf-den-Boden-legen ist riskant für Instrument und Klappen, macht oft Geräusche und es dauert länger.

Probleme über den Preis hinaus

Die riesigen Instrumente werden in kleinen Stückzahlen hergestellt - sie sind deshalb nicht nur teuer, sondern es gibt auch kaum Auswahl, und fast jedes Ersatzteil ist Handarbeit. Darüber hinaus sind die Koffer der klassisch gebauten Kontras sperrig und passen nicht mehr in jeden Kofferraum. Selbst Blätter sind nicht so mal eben im Musikladen um die Ecke zu bekommen. Zur Not passen auf deutsche Systeme Bass-Saxophon-Blätter (das ist noch eine Nummer größer als Bari-Sax!), die sind eher noch mal schnell verfügbar und auch nicht so teuer wie Spezialanfertigungen.

Moderne Kontrabassklarinetten (das sind dann vor allem Boehm-Modelle) sind meist ganz aus Metall gefertigt und wie ein Fagott gewickelt, so dass sie leichter zu handhaben sind - also das paperclip - Design. Sie haben dann einen relativ kleinen Metalltrichter nach oben / schräg vorne (gut am Bild zu erkennen). Diese Modelle haben von der Mechanik her Vorteile: Wesentlich kürzere Klappen und natürlich auch viel einfacher zu transportieren.

Die klassischen Formen wie die modernen Selmer, aber auch die alten deutschen Instrumente, die auch heute noch benutzt werden, sehen aus wie eine Bassklarinette, nur doppelt so groß, mit stark überhöhten S-Bogen und Trichter. Sie haben Klappen von bis zu einem halben Meter Länge. Man braucht schon ziemlich viel Kraft und Lungenvolumen, um sie zu spielen, aber die Technik ist im Prinzip dieselbe wie bei normalen Klarinetten. Schnelle Läufe und Sprünge sind natürlich nicht die Stärke dieses Instruments...

Für Kontrabassklarinetten gibt es eine Fanseite mit Klangbeispielen.

Was tun, wenn es eine Kontrabass-Klarinettenstimme gibt, aber man das Instrument nicht hat?

  1. Wenn Geld keine Rolle spielt, kauft man eine, aber das ist auch nicht so einfach: Die wenigsten Hersteller können sie kurzfristig liefern.
  2. Eine bessere Idee ist es, sich so ein Instrument zu leihen. Manchmal haben die Dachverbände der Orchester (z.B. der deutsche Musikrat oder der Verband der Musikschulen) die Möglichkeit, das zu vermitteln. Ein Klarinettenlehrer sollte wissen, wo man am besten fragt.
  3. Wenn man keine Kontrabassklarinette hat, aber ein super interessantes Programm spielen will, kann man vielleicht auch einen Spieler mit Instrument einladen, der in noch akzeptabler Entfernung lebt und aufgrund des Programms mitmacht. Kontakt findet man zum Beispiel über die Fanseite oben. Kontrabassklarinette ist so exotisch, da kennen sich viele Spieler untereinander und können aufeinander verweisen. Mit Glück muss man dann nur die Anreise bezahlen.
  4. Ansonsten spielt man die Stimme mit der Bassklarinette. Die Stimmen sind ohnehin meist ähnlich bis identisch. Wenn es um eine wichtige Melodielinie geht, die sonst nicht besetzt ist, ist das ohnehin kein Problem. Mit einer bis tief C gehenden Bassklarinette kann man oft sogar vollständig die Konatrabasslinie spielen, indem man die Kontrabassklarinetten-Noten auf einer Bassklarinette aber dort eine Oktave tiefer spielt als notiert. Dann stimmt immerhin die Tonhöhe und die Klangfamilie.
  5. Ganz zur Not ersetzt man die Kontrabassklarinettenstimme durch ein Bariton-Saxophon, dass ja oft schon vorhanden ist. Natürlich muss dann ein Dirigent entscheiden, ob die Originalstimme des Barisax oder die der Kontraklarinette von Fall zu Fall wichtiger ist. Das Barisax ist auch die praktische Ersatzlösung für die Kontraalt-Klarinetten­stimme, denn es ist in Es notiert und man braucht daher keine Transposition; oft haben Arrangeure 90% identische Stimmen geschrieben. Da das Bari-Sax aber einen sehr charakteristischen Klang erzeugt, den im Publikum auch noch fast jeder heraushören kann, muss der Saxophonist dann versuchen, so "klassisch" wie möglich zu spielen - auf keinen Fall rauh oder jazzig!